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Sonntagabend in Freddys Wohnung.

Im Wohnzimmer lag Freddy auf seinem Sofa und genoss seine psychedelische Musik. Rauch stieg aus seinen Lippen hervor und schien sich mit der Musik zu verformen. Fasziniert sah Freddy ihm zu. Kreise, Sterne, Punkte, Striche...fast wie die bunten Bilder seiner Freundin Gina, die zu diesem Zeitpunkt auf dem Teppich lag und ebenfalls rauchte. Neben ihr auf dem Boden lagen wie immer ihre Papiere und die Wasserfarben, falls sie spontan inspiriert war.
Das Knacken der Schallplatte liess Freddy schliesslich aufschrecken und er stand widerstrebend auf, um eine neue Schallplatte einzulegen. Er lief zu seinem Regal und betrachtete seine gesammelten Platten...

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Seine Sammlung bestand aus einer Auswahl der angesagtesten Platten der Zeit, die Freddy vergötterte. Neben Alben von Grateful Dead und Pink Floyd waren auch Jimi Hendrix und Janis Joplin vertreten. Insgesamt musste die Sammlung, die unzähligen Singles nicht einberechnet, über 50 LPs umfassen.
Vorsichtig nahm Freddy die 'The Grateful Dead' Platte, der eben noch von der Nadel des Schallplattenspielers Melodien einer weit entfernt zu scheinenden Zeit entlockt wurden, vom Plattenteller und lies sie sachte in die passende Hülle gleiten, bevor er sie wieder in ihre vorgesehene Lücke im Plattenschrank schob.
Sein Blick überflog die vielen bunten Rücken der Cover und blieb nach kurzer Zeit an einer bestimmten Platte hängen, 'Dark Side of the Moon' von Pink Floyd sollte es sein. Rasch zog er das Album aus dem Schrank, lies die Platte aus dem Cover gleiten und legte sie auf. Es knisterte kurz, als der Tonarm auf der Platte aufsetzte, doch dann waren die ihm so vertrauten Töne zu hören.
Erwartungsvoll drehte er sich um und richtete seinen Blick auf Gina...

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Gina lag auf dem Rücken und betrachtete die Decke. Neben ihr stand das Rotweinglas, an dem sie nippte. Als die ersten Töne von Pink Floyds "Time" erklangen, verzogen sich ihre Mundwinkel zu einem Lächeln. Freddy hatte wirklich Geschmack, was Musik anging. Ihr rechter Fuß wippte zur Musik, und sie schaute die Bilder an, die sie Freddy gemalt hatte. Die Substanzen, die sie rauchte, der Rotwein und die Musik, dies alles führte dazu, dass sich ihre Wahrnehmung veränderte, die Farben auf den Bildern, fingen an sich von den Blättern an der Wand zu lösen und durch den Raum zu tanzen. So lebendig, so psychedelisch...Gina wusste, dass sie es niemals schaffen würde, diese lebendigen Farben und Muster auf einem Blatt Papier zu bändigen. Vor ihrem inneren Auge tanzten die Farben zur Musik, die rauchige Luft und das gelegentliche Knistern schafften eine romantische und doch verträumte Atmosphäre. Gina sah wieder zur Decke, wo nun auch bunte Punkte zu toben schienen.
" Das ist eine meiner Lieblingsplatten", hörte sie Freddy sagen, " Die Lieder gehen übergangslos ineinander über. Es gibt keine Grenze zwischen den Liedern, keinen Anfang und kein Ende."
Gina nickte und griff nach ihrem Rotweinglas, nahm einen Schluck, setzte sich auf und zog noch einmal an ihrem Joint. Als sie die ausatmete, schien es ihr, alt tanze roter Nebel vor ihren Augen.
" Lass uns tanzen, Freddy.", flüsterte sie, " Lass uns tanzen."

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Obwohl er das Tanzen weder mochte noch es besonders gut beherrschte, zögerte Freddy nicht lange durch den Raum zu gehen, um Gina seine beiden Hände zum Aufstehen anzubieten, denn er konnte seiner Freundin noch nie wirklich gut eine Bitte ausschlagen, vor allem nicht, wenn sie so bezaubernd lächelte. Gina ergriff Freddys Hände und lies sich von ihm langsam hochziehen. Kaum auf den Beinen, schmiegte sie sich sanft an Freddys Oberkörper und umschlang ihn mit ihren Armen, mit strahlenden Augen blickte sie hinauf. Freddy, der einen guten Kopf größer als Gina war, küsste sie, erst auf die Stirn, dann auf den Mund und platzierte seine Hände an ihrer Hüfte. Langsam fingen sie an, sich im Rhythmus der Musik zu bewegen, noch immer lag der Geruch von Marijuana in der Luft.
"Ich liebe dich, Freddy", flüsterte Gina, während sie leicht auf der Unterlippe beißend in Freddys Augen schaute, 'Ich liebe dich für all das, was du mir gibst, für das Gefühl, das ich habe, wenn ich mit dir zusammen bin, dafür, dass du anders bist", sie zögerte für einen Moment, "so anders wie ich."

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" Und ich liebe dich.", erwiderte Freddy lächelnd, " Ich liebe das Gefühl, das du mir gibst, wenn wir einfach nur zusammen sind und Musik hören. Mit dir bin ich Ichselbst. Du bist wie...", er suchte nach Worten, "...die weibliche Version von mir. So gut habe ich mich seit dem Tod meiner Eltern nicht mehr gefühlt."
Für einen Moment sahen sie sich tief in die Augen und trotz ihrer benebelten Verstände wussten sie, dass dies ein inniger und ehrlicher Moment war. Während sie sich so ansahen, begann langsam und sachte im Hintergrund "The Great Gig In The Sky". Ihre Bewegungen wurden langsamer.
Gina legte eine Hand auf Freddys Wange: " Ich werde immer für dich da sein, ich lasse nicht zu, dass die Trauer dich ein zweites Mal frisst."
Die letzten Sonnenstrahlen des Abends verabschiedeten sich von ihnen und ein letztes Mal erleuchtete das Wohnzimmer rot/orange. Durch ihre Wahrnehmung erschien es vielleicht noch röter, als es war, doch es war ein schöner Anblick.
Freddys linke Wange glühte Orange, während die Rechte im Schatten lag, als er mit funkelnden Augen und dunklen Pupillen antwortete: " Solange du bei mir bist, fürchte ich Nichts. Keine Trauer, keinen Schmerz."
Dann küssten sie sich. Sachte. Zur Musik.
So ging die Sonne unter, und der Tag endete, und die beiden merkten nicht einmal, wie das Rotweinglas während ihres Tanzes umfiel, und Ginas weiße Blätter besudelte. Viele rote Muster, Wellen und Linien.
Produkt der Liebe.

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Der Morgen danach - Montag

Der neue Tag war längst angebrochen, als Freddy und Gina aus ihrem von Drogen beeinflussten Schlaf erwachten. Es war schon kurz nach 13 Uhr, der Wecker musste versagt haben.
Bewaffnet mit seiner Gitarre auf dem Rücken und einem kleinen Weidenkorb in Ginas Hand, verließen die beiden das Haus. Auf dem Weg zum Stadtpark machten sie halt beim Bäcker um die Ecke, um ein Dutzend belegte Brötchen zu kaufen, denn in ihrer Freundesgruppe galt eine eiserne Regel: Wer zu spät kommt sorgt für's Essen. Und da die beiden bereits über eine Stunde zu spät waren, würden sie ganz gewiss die letzten sein.

Der Stadtpark erstrahlte an diesem Tag in seiner vollen Pracht, die Punks, die sich um den in der Mitte des Parks befindlichen Springbrunnen geschart hatten, waren bereits heiter und angetrunken, die Skater rollten auf ihren abgenutzten Skateboards die provisorische Half-Pipe hoch und runter und von der anderen Seite des Parks schallend konnte man ein wildes Basketballspiel in Begleitung der neusten Hip Hop Tracks hören.
Auch Freddy und Gina hatten mittlerweile ihren Stammplatz auf der kleinen Rasenfläche am Rand des Parks erreicht und begrüßten freudig ihre Freunde mit einem Korb voll Brötchen.
Ben war der erste der aufsprang um die beiden zu empfangen und ihnen die Brötchen abzunehmen, er schien sie erwartet zu haben. Nach einer kurzen Umarmung der Dame und dem obligatorischen Handschlag mit seinem Kumpel stellte er die Brötchen inmitten der Gruppe von Jugendlichen ab. Jetzt, aus der Nähe betrachtet, sah Freddys bester Freund und Musikkollege müde aus, auch die kurzen braunen Haare schienen durcheinander, er hatte wohl die Nacht nicht zum Schlafen genutzt. "Na, mal wieder verpennt? Wenn ich so viel geschlafen hätte wie ihr, würd' ich bestimmt auch so glücklich aussehen", sagte Ben mit einem Lachen in der Stimme.

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Sie setzten sich zu ihren Freunden auf den Boden und Freddy griff sofort nach seiner Gitarre.
" Endlich übertönt mal Jemand die Hopper.", sagte Linda Lee und ihre vollen Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. Sie stand als einzige der Gruppe noch auf den Beinen und lehnte an einem kleinen, dürren Baumstamm. Sie grinste zu ihnen herab. Sie war ein Stück kleiner als Gina, aber dafür ein großes Stück frecher.
Linda rebellierte gegen alles und jeden. Gegen ihre Eltern mit ihrem provokativen Style, den zerfetzten Hosen und den durchlöcherten Ohren, gegen traditionelle Frauenbilder, mit ihren sehr kurzen aschblonden, immer zerzausten Strubelhaaren, die fast männlich wirkten. Ja, schon fast gegen die eigene Gruppe rebellierte sie. Anders als Freddy beispielsweise besaß sie einen Ipod, auf dem sie Musik hören konnte. Jederzeit.
"Nichts geht über den Sound einer guten Platte" pflegte Freddy zu sagen, ließ Linda jedoch gewähren.
Nach ihrem Kleidungsstil zu schätzen, wirkten die meisten von ihnen wie Hippies. Auch Lindas Kleidung war nicht viel anders. Sie trug gern weite Röcke, Sandalen und runde bunte Sonnenbrillen, wie Stirnbänder oder Haarbänder.
Linda jedoch trug auch gerne bauchfrei und entblößte so ihren schlanken, durchtrainierten Bauch. Sie war sehr sportlich. Ihre rechte Leiste zierte das Tattoo einer Friedenstaube, die zwischen ihren Krallen ein Herz trug.
Dieses Tattoo symbolisierte ihr Lebensmotto: Peace & (Free)Love. Was letzteres anging, das lebte Linda auch voll aus. Jedes männliche Gruppenmitglied, bis auf Freddy, hatte schon mal etwas mit ihr gehabt. "Ich teile eben gerne.", pflegte sie grinsend zu sagen, wenn man sie auf ihre Lebensweise ansprach. Von festen Beziehungen, wie Freddy und Gina eine führten, hielt Linda nichts und deshalb sah sie auch nicht ein, wieso sie solche respektieren sollte. Auch nicht Freddys und Ginas.
Ihre mit unzähligen bunten Ringen durchlöcherten Ohren machten fast schon Joschua Konkurenz. Joschua war der Punk unter ihnen, der "Verlorene", wie sie ihn manchmal zum Scherz nannten, weil er mit Ihnen und nicht mit den anderen Punks, mit denen er jedoch kein schlechtes Verhältnis hatte, abhing. Ihn störte nur ein wenig die Einstellung der anderen, ständig um Kleingeld betteln zu müssen. Auf so ein Niveau wollte er sich dann doch nicht herablassen. Vielleicht unterschied ihn das von den anderen Punks. Von ihrer alternativen Freundesgruppe unterschied ihn vieles. Während der Großteil der Gruppe Drogen, Zigaretten und Joints bevorzugte, war Joschuas erste Wahl immer der Alkohol. Hin- und wieder mal ein Joint. Deshalb hatte Joschua auch als einziger von ihnen mit einem Bierbauch zu kämpfen. Er trug für sein Leben gerne Nieten, egal ob am Gürtel, auf seiner Jacke, in den Ohren oder seiner Tasche. Ein Nasenpiercing und einige Ohrringe waren zusätzlicher Schmuck. Er trug gern Jeans und schwarze Stiefel. Seine Haaren waren zurzeit grell grün gefärbt, nachdem er sie eine Weile rosa-schwarz-gestreift getragen hatte.
An einem seiner Finger trug er einen Schlagring.
Blitz, sein fauler schwarzer Labrador, döste neben ihm vor sich hin und ließ sich von seinem Herrchen streicheln. Der Labrador war genauso faul wie Joschua, und wie sein Herrchen könnte auch ihm eine kleine Diät nicht schaden.

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"Endlich gibt's was zum Futtern", sagte Joshua, während er seine leere Bierflasche hinter sich auf den Rasen warf, "Ich bin am verhungern, ich schwör's euch! Hab seit mindestens zwei Stunden nichts mehr gegessen."
"Jetzt tu mal nicht so, Josch. Eine bisschen weniger Essen und ein bisschen mehr Sport würde dir sicherlich auch mal ganz gut tun, versuch's doch mal mit Yoga..", Rosalie überlegte kurz, sie musste sich ein Kichern unterdrücken, "Wenn ich es mir recht überlege, wäre das sogar sicherlich unterhaltsam.. Für uns jedenfalls." Rosalie saß mit gestreckten Beinen und den Händen hinter sich auf dem Boden, die Beine übereinander geschlagen. Im Wind wehte der weite, lange Rock um ihre Knöchel und ihre welligen, blonden Haare streiften über den Rasen. Sie richtete kurz das bunte Haarband, das beim Versuch Joshua eine Grimasse zu schneiden verrutscht war, und sagte mit einem leicht zynischen Unterton, "Wie oft habe ich dir eigentlich schon gesagt, dass du die Umwelt nicht mit deinen leeren Flaschen und dem restlichen Müll, den du so produzierst, verschmutzen sollst. Die arme Natur.."
Rosalie war mittlerweile in eine Art Monolog verfallen, wie sie es des öfteren tat, und philosophierte für sich über die Folgen der Umweltverschmutzung.
"Mensch Rose, nicht mal die kleinen Freuden des Lebens gönnst du einem", zischte Joshua, doch Rosalie reagierte nicht mehr darauf, sie war mittlerweile in ihren Gedanken irgendwo ganz weit weg. "Dann gib mal her die Stullen", sagte er zu den beiden Ankömmlingen und griff nach dem Korb mit den Brötchen, nahm sich eins heraus und stellte den Korb auf Noas Bauch, der direkt neben ihm mit dem Rücken auf dem Boden lag. Joshuas bester Freund zuckte zusammen, er hatte wohl nicht erwartet als Ablage benutzt zu werden, und setzte sich mit dem Korb auf dem Schoß auf. "Ohja, sehr gut. Essen", er grinste. "Im Gegensatz zu dir kann ich es mir wenigstens erlauben", bemerkte er fröhlich und stupste Joshua mit dem Ellbogen in die Seite, um den scherzhaften Charakter seiner Aussage zu verdeutlichen. In der Tat sah Noa aus, als könne er das Essen gut gebrauchen, so dürr wie er war.

Erst jetzt fiel Freddy zu seinem Erstaunen auf, dass die Gruppe gar nicht komplett war. "Wo ist Kurt?"

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