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ID 3tizx9

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"Okay, ich hab gegoogelt und bisschen was über Dämonen rausgefunden", eröffnete Nina und setzte sich an Louises Tisch in der Oberstufenbiblo, die noch leer war.
"Ich hab weiter den Andolini gegoogelt, aber nichts gefunden", verkündete Louise nicht so fröhlich wie ihre Freundin. "Lass hören, was du gefunden hast."
"Okay." Nina kramte etliche Blätter hervor, die hinten und vorn eng beschrieben waren. "Tante Wiki erklärt uns, dass Dämonen angeblich ausschließlich bösen Charakters sind. Also sind sie nur dazu da, um Menschen zu erschrecken, zu bedrohen oder Schlimmeres zuzufügen."
"So wie Loui"
Insgeheim hatten sie den Dämon Loui getauft, was ihm entgegen seiner Erscheinung einen harmlosen bis fast putzigen Eindruck bescherte.
"Genau. Also. Das Wort 'Dämon' stammt von Daimon ab, natürlich griechisch, und heißt so viel wie 'Geist der Abgeschiedenen'. Das hört sich ja wohl eher positiv an, aber ab dem Mittelalter haben sie aus den einfachen Geistern einfach bösartige Dämonen gemacht."
"Ts. Ungebildete Bauern", fluchte Louise verhalten.
"Angeblich sollen Dämonen eine niedere Gottheit darstellen, so ein Zwischending zwischen Göttern und Menschen."
"Das ist interessant."
"Ja, fand ich auch. Es gibt einen Haufen verschiedene Mythologien bezüglich Dämonen, aber ich hab mir nur die Römische angeschaut. Die sützt sich auf die Mythologie der Griechen - wie kanns auch anders sein - und des Orients.
Bei den Römern wurden Dämonen als Genien bezeichnet."
"Genie?"
Nina nickte. "Aber kein stinknormaler Genius. Die Römer haben früher ja alles anders verstanden, also war bei denen der Genius ein Schutzgeist für die Menschen, der die jeweilige Persönlichkeit ausdrückt."
"Hab ich das richtig verstanden: Der Dämon - also sprich der Genius - hat den Charakter des Menschen gebildet?"
Nina zuckte mit den Schultern. "Glaub schon. Jedenfalls steht's hier so."
"Huh."
"In Arabien gabs auch ähnliche Schutzgeister, die aber nicht Dämonen oder so genannt wurden, sonder ..."
"Dschinn."
"Ja. Woher weißt du das?"
Louise schnaufte. "Ich hab mal ein Buch gelesen, da ging's auch um Dschinns und Magie und solche Sachen. Da war der Dschinn und so ein Kerl wusste den Namen von dem Dschinn. Und der Dschinn musste dem Typi gehorchen." Ein Schauer lief ihren Rücken hinab. "Unschön."
Nina nickte. "Total. Aber is es hier nich umgekehrt?"
"Wie, umgekehrt?"
"Na, in unserem - beziehungsweise deinem - Fall ist es ja so, dass der Dämon deinen Namen weiß und jetzt machen kann, was er will."
"Er kann nicht machen, was er will. Er kann nur in meinen Kopf reinreden, was mich total ankotzt!"
"Jaja, schon gut. Trotzdem, das Prinzip ist doch das Gleiche, oder?"
Louise nickte missmutig.
"Ich hab auch noch was anderes gefunden, was mehr als unheimlich ist." Sie blätterte in ihrem Papiersee und fischte ein etwas zerknülltes Blatt heraus und hielt es Louise hin.
Darauf stand geschrieben:
'Aber nachdem nun jenes Geschlecht absenkte das Schicksal,
Werden sie fromme Dämonen der oberen Erde genennet,
Gute, des Wehs Abwehrer, der sterblichen Menschen Behüter,
Welche die Obhut tragen des Rechts und der schnöden Vergehung,
Dicht in Nebel gehüllt, ringsum durchwandelnd das Erdreich,
Geber des Wohls: dies ward ihr königlich glänzendes Ehramt.'
"Ist von Hesoid geschrieben worden. Er glaubt, dass die Dämonen die abgeschiedene Seele des Menschen sind. Und kommt dir das bekannt vor?"
Louise nickte.
"Genau. Daimones, Geist der Abgeschiedenen."
"Wow, das ergibt sogar Sinn."
Stolz grinste Nina.
"Das sagt uns, dass der Typi in Schwarz auf unserem Speicher die Seele von Luigi Andolini ist, der mal echt gelebt hat?"
Nina nickte. "Muss wohl so sein."
"Huh. Ist ja alles schön und gut und vor allem interessant, aber eine Frage bleibt trotzdem."
"Was macht der hier in unserer Schule?"
Louise nickte.
"Er hat zu uns gesagt, dass seine Gefolgsleute - was auch immer die sein mögen - ihn verlassen und vergessen haben und er seit Jahren allein da oben rumhängt. Okay, würd mich persönlich auch total ankotzen. Aber deswegen gleich so ausrasten?"
Nina zuckte die Achseln. "Vielleicht war unser Verhalten der Anschubs dafür, dass er sich wie ein total psycho gewordener Dämon verhält?"
"Kann sein, aber was hätten wir sonst tun sollen? Ihn zum Tee bitten und unsre Schokolade mit ihm teilen?"
Sofort schüttelte Nina energisch den Kopf.
"Na also", meinte Louise und seufzte. "Damit können wir jetzt gar nichts anfangen."
"Glaub ich schon."
"Klär mich auf."
"Also", setzte Nina an, "wir müssen noch mal mit ihm reden."
"Sprich, ich muss mit ihm reden, weil er ja in meinem Kopf rumspukt."
Nina grinste entschuldigend. "Genau."
"Und dann? Ich glaub nicht, dass er mir seine gesamte Lebensgeschichte erzählen wird."
"Du musst ihn halt dazu bringen. Bring ihn dazu, stell ein paar Fragen, laber mit ihm. Irgendwann wird er schon was rausrücken."
Louise seufzte. "Anders wirds wohl nicht gehen, oder?" Nina schüttelte den Kopf. "Ich hoff nur, dass ich ihn nicht noch wütender mache. Keine Ahnung, was der alles mit mir anstellen kann."
"Wenn du dich noch komischer als sonst verhältst, dann sag ich dir Bescheid", meinte Nina und grinste.
"Toll. Danke. Jetzt fühl ich mich total sicher."
Pure Ironie. Die Wahrheit war, dass Louise panische Angst hatte. Allein die Tatsache, dass da jemand in ihrem Kopf rumsaß und vermutlich jedes Wort mitanhören konnte, das sie sagte oder sogar dachte, ließ sie verrückt vor Angst werden. Und jetzt musste sie den Dämon auch noch dazu bringen, ihr zu erzählen, wer er war und woher er kam. Und was zum Henker er hier eigentlich machte!
"Ich sollte ein Buch darüber schreiben", überlegte Louise für sich und seufzte. "Damit sich der ganze Schmarrn hier für irgendwas lohnt."

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