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Back All (4)

Draußen wehte ein kalter Wind, der die größtenteils noch vorhandenen Blätter an den Ästen zittern ließ. Selbst zu dieser frühen Morgenstunde war bereits recht viel auf den Straßen los. Cora schulterte ihre Tasche und machte sich auf den Weg zu ihrem Lieblingscafé.
Auf dem Weg dorthin kamen ihr immer wieder Leute entgegen, die ihr höflich zunickten und lächelten. Selbstverständlich erwiderte Cora jeden Gruß, sie musste ihren guten Ruf als Bestsellerautorin aufrecht erhalten. Obwohl man in der Klatschpresse seit Tagen nur noch über ihre Trennung palaverte, hatte das ihrem Image keineswegs geschadet. Sie wurde als die betrogene Ex-Verlobte hingestellt, jeder hatte Mitleid mit ihr. Jeder wollte ihre Bücher lesen, sehen, welche große Persönlichkeit hinter den Worten stecken mochte.
Ihr konnte das nur recht sein. Solange keiner Wind davon bekam, was ihr zurzeit eigentlich zu schaffen machte, war alles in bester Ordnung.
Das Café lag im ersten Stock eines unscheinbaren kleinen Gebäudes. Sie betrat das Café und sofort war eine Bedieung da, die ihr ihren Lieblingsplatz ganz hinten in der Ecke zuwies. Während sie ihren Mantel auszog, musste sie sich daran erinnern, wie viele Stunden, nein, Tage gar, sie in dieser Ecke zugebracht hatte, die Menschen unten beobachtet hatte und an ihrer neuen Idee für ein Buch getüftelt hatte.
"Vielen Dank, Babsi", bedankte sie sich bei der Bedienung, die ihr ein bezauberndes Lächeln schenkte.
Man brachte ihr eine heiße Schokolade und Cora lehnte sich in dem Polster zurück. Endlich hatte sie nach Tagen wieder Zeit für sich allein. Nun ja, sie traf sich zwar mit ihrer Lektorin, aber Verona war gleichzeitig ihre Freundin.
Die etwas kleine und pummelige Frau mit ihrem kurzen pfiffigen Haarschnitt kam wie der Wind herein und setzte sich auch sogleich zu Cora an den Tisch.
"Guten Morgen und alles Liebe zum Geburtstag, Süße!", rief sie und gab Cora einen Kuss auf die Wange. "Tut mir leid, dass ich nichts für dich dabei habe, aber das hol ich nach."
Cora winkte lächelnd ab. "Mach dir keinen Stress, ich bin nicht scharf auf Geschenke." Verdammt, wieso wissen die alle von meinem Geburtstag, wenn ich selbst ihn vergesse?, fragte sie sich stumm.
Verona lächelte und ließ sich ein Frühstück und eine dampfende Tasse Kaffee bringen.
"Also, ich hab gestern mit dem Verleger gesprochen und er ist vollkommen begeistert von deiner neuen Story!"
"Das ist großartig!"
"Ja, ich freu mich ja so für dich! Du kletterst die Karriereleiter bis ganz nach oben, Cora, glaub mir, du wirst bald der Star in ganz Deutschland sein!"
Beide lachten und tranken einen Schluck von dem heißen Gebräu, das Coras Lebensgeister erst so richtig weckte. Der Kaffee hier weckte buchstäblich die Toten.
"Also, erzähl. Du hast eine neue Idee?"
Cora nickte bedächtig. Sie hatte sich vorher ganz genau überlegt, was sie ihrer Lektorin sagen wollte. Nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig, immerhin war es ihr Job, Cora bei der Ausarbeitung einer Idee mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
"Es geht um eine junge Frau, die ... psychische Probleme hat und nicht weiß, wie sie diese unter Kontrolle bringen soll. Nach einigen Vorfällen wird es derart schlimm, dass sie die Hilfe eines Therapeuten aufsucht."
Verona hörte gespannt zu. Sie ließ sogar ihr Essen unangetastet. "Kann er ihr helfen?"
Cora nickte. "Ja. Die ... Vorfälle werden weniger, aber trotzdem verschwinden sie nicht ganz."
"Und worin bestehen diese Vorfälle?"
Cora befiel ein unangenehmes Kribbeln. "Das weiß ich ehrlich gesagt noch nicht so ganz." Sie lächelte entschuldigend. "Es ist nur so ein Gedanke von mir. Die Idee ist natürlich noch nicht gänzlich ausgereift. Ich arbeite daran."
Ihr Gegenüber biss ein Stück von ihrer Semmel ab. "Lass dir Zeit, Süße, überstürz nichts. Du bist im Moment so erfolgreich, dass du dir ein paar Tage schon mal eine Auszeit gönnen kannst, um den Ruhm zu genießen."
"Ja, schon, aber diese Idee ... ist sehr wichtig für mich. Weißt du, ich hab irgendwie das Gefühl, als könnte das genau die Story sein, die ich mein Leben lang schreiben wollte. Vielleicht ist es sogar die Story, wegen der ich überhaupt das Schreiben angefangen habe."
Verona hielt inne. "Wow. Wenn das stimmt, wäre das einfach unfassbar!"
Cora nickte. Insgeheim hoffte sie, dass sie, wenn sie diese Story schrieb, ihre Halluzinationen endgültig aus dem Weg schaffen konnte. Hoffnung starb bekanntlich zuletzt.
Gemeinsam frühstückten sie, unterhielten sich weiter über ihren letzten Bestseller und ließen die neue Idee außen vor. Verona hatte Recht, es war noch zu früh, um über den nächsten großen Schritt nachzudenken. Zuerst musste sie den letzten zu Ende gehen, dann konnte sie weitersehen.

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