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Die Witwe blieb im Angesicht der auf sie gerichteten Waffe ruhig. Doch es war nicht dieses lakonische Geste, die Frank an der Frau imponierte, sondern dass sie ihm in die Augen sah. Nicht am Gesicht vorbei, oder nicht auf die Narben und Pflaster, sondern direkt in die Augen. Die meisten Menschen ertrugen seinen Anblick nicht lange. Natürlich spähten sie immer wieder auf die Narben und Pflaster, doch sobald er zurück sah und sie sich ertappt fühlten, schauten sie woanders hin. Doch nicht bei dieser Frau.
„Du bist also der Mensch, der meinen Mann getötet hat.“ Ihre Stimme klang nicht wie eine Anklage, sondern wie eine Feststellung. Und passte zu dem Ausdruck ihrer Augen. Was war der richtige Begriff für diesen Ausdruck? Abgeklärt? Oder tot? Auf jeden Fall zeigten sie keine Angst. Vorsichtig ließ er sich auf einem dem Sofa gegenüber gestellten Sessel nieder, die Waffe weiterhin auf die Frau gerichtet.
„Ja.“ gestand er. „Das bin ich“
„Und wieso?“ Wieder schien dies keine Anklage zu sein, sondern nur eine Frage. Das Suchen nach Wissen.
„Geld. Es liegt immer am Geld.“
„Das ist alles? Das ist deine einzige Erklärung für den Mord an vier Menschen. An drei Kindern?“
„Es ist eine so gute Erklärung, wie jede andere für einen Mord.“, fand Frank. Die Frau antwortete ihm zunächst nicht, sondern blickte nur abwechseln auf die Waffe und in sein Gesicht. Schließlich meinte sie: „Mit deinem entstellten Gesicht siehst du wie der Schurke in einer Comicverfilmung aus.“
Frank stieß dafür ein trockenes Lachen aus. Das hatte ihm noch keine gesagt. „Okay …“ Er versuchte mit der Situation umzugehen. „Angesichts der Tatsache, dass ich deinen Mann und deine Steifkinder erschossen habe, wäre es wohl doppelmoralisch darauf hinzuweisen, wie politisch unkorrekt und diskriminierend diese Bemerkung war.“
Das Gesicht der Frau regte sich nicht.
„Ich habe mir diese Krankheit nicht ausgesucht.“, fuhr Frank fort. „Weißt du, vor einigen Jahren hatte ich etwas mit einer Frau. Na ja, sie hat sich wohl mehr davon erhofft, aber für mich war es nur Sex. Deswegen war ich auch nicht ganz ehrlich zu ihr, habe ihr unter anderem einen falschen Namen genannt. Und noch ein paar andere Sachen gemacht. Wenn Frauen merken, dass sie nur ausgenutzt wurden, dann beleidigen die meisten den Mann nur und verlassen ihn. Diese Frau hat mit einem Messer auf mich eingestochen.“
„In dein Gesicht?“
„Nein, in den Unterleib. Nachdem ich die Frau erwürgt hatte, musste ich danach mehrere Wochen im Krankenhaus liegen. Die Stichwunde selbst verheilte ohne Probleme. Leider habe ich mir in dem Krankenhaus eine Nosokomialinfektion geholt. MRSA. Ein multiresistentes Bakterium, das jeden Körperteil befallen kann und Hautentzündungen verursacht, die heraus geschnitten werden müssen, Und solange mein Immunsystem keine Antikörper gegen diese Bakterien entwickelt, darf ich alle paar Wochen zum Arzt gehen, und mir eine neue Entzündung heraus schneiden lassen.“
„Mir kommen die Tränen.“ Nun lag in der Stimme der Frau doch Verachtung.
„Schön, das zu hören.“
„Und warum bist du jetzt hier? Doch nicht, um über deine Krankengeschichte zu reden.“
„Ich soll dich davon überzeugen, dass es besser ist, diese Wohnung aufzugeben.“
„In dem du mich erschießt?“
„Ich habe nicht vor, dich zu erschießen.“ Obwohl Frank diesen Satz ehrlich meinte, unterstrich er eine Geste mit der Waffenhand machte. „Es ist schon genug Blut vergossen worden.“
„Und wie willst du mich dann davon überzeugen, dass ich hier weggehe? Indem du mich vergewaltigst?“
Dieses Mal war es der lakonische Tonfall der Frau, die Frank stumpf auflachen ließ. Er fragte sich, was ihn in der Vergangenheit passiert war, dass sie eine Sexualstraftat so beiläufig erwähnte. Er sagte: „Das würde ich gerne. Wirklich. Aber wie ich schon sagte: MRSA kann jeden Körperteil befallen und muss heraus geschnitten werden. In den letzten Jahren habe ich einige … Verluste erlitten.“
Jetzt starrte ihm die Frau zwischen die Beine. Er hatte auf ein Lachen ihrerseits gehofft, etwas, dass es ihm doch noch erlaubte, den Abzug zu drücken und endlich diese Wohnung verlassen zu dürfen. Doch sie lachte nicht. Sie kommentierte seinen Verlust nicht. Und sie blickte wieder auf und in sein Gesicht.
„Wenn du mir nichts antun willst, wieso sollte ich dann einem Mörder folge leisten?“
„Ich habe nie gesagt, dass ich dir nichts antun werde …“ Die ganze Zeit hatte neben dem Sessel ein Stuhl gestanden. Nun kippte er diesen, die Waffe weiter auf die Frau gerichtet, mit der Schuhspitze um und trat dann auf eines der querliegenden Stuhlbeine, dass splitternd abbrach. Vorsichtig kniete Frank sich hin und hob es auf. „Es gibt viele Möglichkeiten, einen Menschen davon zu überzeugen, das richtige zu tun.“ sagte er.

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