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"DAS ENDE IST NAH", schrie der untersetzte Mann mit dem Kreuz in der Hand. Seine rostbraune - mit Blut verschmierte - Kutte wehte im Wind.
In der anderen Hand hielt er eine Bibel, die wahrlich viel durchgestanden haben musste.
Kevin sah dem Mann kurz in die stahlgrauen Augen, bevor er sich abwandte, die zierliche Hand seines kleinen Bruders Leo packte und ihn in eine dunkle Gasse zog.
Wieder schrie der Mönch aus Leibeskräften, schwenkte sein Holzkreuz durch die Luft wie eine leuchtende Lampe der Erlösung. Der Hoffnung auf ein gutes Ende. Aber Kevin glaubte längst nicht mehr an ein Happy End.
Seitdem die Menschheit auf fünfhundert Überlebende dezimiert wurde, war eine Aussicht auf Erlösung nur eine Wunschvorstellung, die niemandem gewährt wurde.
Einzig die Flucht sicherte einem das Überleben. 'Zumindest zögert es den Tod heraus', kam es Kevin in den Sinn, als er in die Hocke ging, um seinem kleinen Bruder direkt in die Augen sehen zu können.
Sie waren haselnussbraun. Rote Ränder und geplatzte Äderchen deuteten darauf hin, dass er seit langem nicht mehr friedlich geschlafen hatte. 'Wie denn auch?' Zärtlich strich Kevin Leo eine Haarsträhne aus dem Gesicht und versuchte seinem Bruder den Schmutz aus dem Gesicht zu wischen. Leo hingegen drehte den Kopf zur Seite und wehrte sich so gut er konnte.
"Leo... was soll das?", wollte Kevin wissen und stand wieder auf. Wehleidig sah er auf seinen Bruder hinab.
"Ich mag das nich! Ich schaff das schon allein. Du brauchst mich nich zu bemuttern, okay?", murmelte er und putzte sich das Gesicht mit seinem - weitaus schmutzigeren - Ärmel ab.
Kevin hingegen ließ Leo gewähren und wandte seine Aufmerksamkeit auf den dünnen Streifen weißen Lichts, der den Eingang der Gasse bildete. Von hier aus konnte er einen Teil des Mönchs erkennen. Den linken Arm, eine vernarbte Gesichtshälfte und die Spitze eines Stiefels.
Alles war still. Er konnte das Flattern der Kutte hören. Das Geräusch dröhnte förmlich in seinen Ohren, ließ sie schmerzen.
Gerade, als sich Kevin abwenden wollte, spürte er es. Eine - kaum wahrnehmbare - Erschütterung. Irgendwo über ihnen zersplitterte ein Glas. Glasscherben regneten in die Gasse, schlugen donnernd auf den Pflastersteinen auf.
Jäh durchbrach ein schriller Schmerzensschrei die Luft. Blitzschnell duckte sich Kevin, zog Leo an seine Brust und hielt ihm den Mund zu. Er konnte die Angstattacken, die durch den Körper seines kleinen Bruder zuckten, spüren. Selbst er biss sich auf die Lippen, um kein Geräusch von sich zu geben. Den Blick hielt er starr auf den Lichtstreifen gerichtet. Zwang sich die Augen offen zu halten, während Leo leise wimmerte.
Kevin sah, wie der Mönch zu Boden ging. Blut sprenkelte die Trümmer einer einstigen Hauswand, als sich die Körperhälfte von ihm löste.
Ein ohrenbetäubendes Piepsen ertönte, dann war das dumpfe Dröhnen einer riesigen Maschine zu hören, die sich in die Luft erhob. Kevins Blck huschte kurz nach oben. Er sah die Triebwerke, die in einem flüchtigen Blau aufleuchteten, bevor die Maschine im wolkenlosen Himmel verschwand.

ID crnvn1, tonytony, Activity: 0%, Views: 1005, Chars: 3071, 162 months ago

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