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Sonntagabend in Freddys Wohnung.

Im Wohnzimmer lag Freddy auf seinem Sofa und genoss seine psychedelische Musik. Rauch stieg aus seinen Lippen hervor und schien sich mit der Musik zu verformen. Fasziniert sah Freddy ihm zu. Kreise, Sterne, Punkte, Striche...fast wie die bunten Bilder seiner Freundin Gina, die zu diesem Zeitpunkt auf dem Teppich lag und ebenfalls rauchte. Neben ihr auf dem Boden lagen wie immer ihre Papiere und die Wasserfarben, falls sie spontan inspiriert war.
Das Knacken der Schallplatte liess Freddy schliesslich aufschrecken und er stand widerstrebend auf, um eine neue Schallplatte einzulegen. Er lief zu seinem Regal und betrachtete seine gesammelten Platten...

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Vinylscheiben in Papphüllen, auf denen sich die Abbilder von Künstlern abzeichneten.
Nein - nicht deren Abbilder. Es waren die Musiker selbst, die auf den Covern standen, saßen, sangen. Und sie begannen von einer Platte zu der Nächsten zu hüpfen und schufen so völlig neue Künstlerkollaborationen, quer durch die Jahrzehnte der Popgeschichte. Verstorbene sangen mit den Lebenden auf Maxis, Legenden mit ihren ärgsten Konkurrenten...
Immer hektischer wurden das Treiben vor Freddies Augen, die Gestalten versuchten aus dem Regal zu fliehen in dem sie auf den Teppichboden sprangen und zu der Zimmertüre rannten.
"Aufhören!" rief er und griff nach der nächsten Schallplatte. Doch diese gab nach und die weiche Masse absorbierte seine Hand und schmolz langsam den Arm hoch.
Hinterher konnte Freddy nicht mehr genau sagen, wann ihm bewusst wurde, dass er einen psychotropen Rausch durchlebte, doch schließlich griff er nach der "Zigarette" zwischen seinen Lippen (als "Zigarette" war sie zumindest von dem Mädchen, bei der er sie gekauft hatte, bezeichnet worden) und warf sie in hohen Bogen durch das Zimmer.
"Hey... Was... soll... das... ?...." Vor ihm wuchs Gina aus dem Boden in die Höhe. Ihre Gesichtszüge vermochte er nicht zu deuten. Doch ihm war, als verhießen sie nichts Gutes. Durch die jüngsten Ereignisse angestrengt lehnte er sich an die Wand und rutschte langsam über die Tapete gen Boden.
Weißt du Gina..." begann er.

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"Als Giraffe siehst du echt komisch aus..", immer noch wusste Freddy nicht, was ihm geschah.
Ginas Hals hatte sich mittlerweile vor Freddys Augen drei mal verknotet und ihre Arme hingen bis auf den Boden. Erst jetzt bemerkte Freddy, dass auch seine Arme länger wurde, ja es sah fast so aus, als würden seine Gliedmaßen davon fließen. "Warum ist mir plötzlich so schlecht?", fragte Freddy plötzlich in einem Moment von Klarheit.

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"Dir ist schlecht?" kam irgendwo aus der Ferne eine Antwort zurück. "Du siehst aber ganz normal aus..."
Wirklich? Tat er das? Er versuchte an sich herunter zu blicken, doch einem Magnet gleich zog Ginas entstellter Hals Freddies Aufmerksamkeit auf sich.
Welcher entstelle Hals? Sie sah eigentlich ganz normal proportioniert aus, während sie sich über ihn beugte und ihm vorsichtig ein Glas mit Wasser an die Lippen hielt. Er lag auf dem Boden. Wie lange schon? Was war passiert? Und vor allem - wie lange war es passiert?
Was er einen Schluck trank, floss das Wasser durch seine Kehle direkt in seine Lunge. Hustend machte er sich Luft und wälzte sich zur Seite. Durch die Tränen in den Augen fiel sein Blick auf die Wand, über die er noch vor wenigen Augenblicken(?) gen Boden gerutscht war. Noch immer zeichnete sich deutlich sein Abdruck auf der Oberfläche ab und eine schwarze Blutspur.
Freddy schüttelte sich und hustete weiter. Eine weitere Nebenwirkung der Zigarette.
"Okay... Jetzt siehst du wirklich nicht mehr gut aus." Gina klang besorgt. Wassertröpfchen landeten auf dem Teppich und versickerten in dem Stoff.

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" Bin etwa auch ich eine Giraffe?", hustete Freddy besorgt.
" Von was für einer Giraffe redest du denn da die ganze Zeit?", Ginas Stimme klang ein wenig genervt. Freddy blinzelte. Es schien ihm, als würde sie sich langsam grünlich verfärben.
" Ist dir etwa auch schlecht?", fragte er.

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"Das ist schwer zu sagen..." antwortete ihm die tiefe, männliche Stimme Gina's.. "Dafür müssen wir erst Gewebe aus dem Gehrin entnehmen und es untersuchen lassen. Warte hier, ich gehe schnell in die Küche..."
Einen Augenblick später war sie auch schon verschwunden und nur die Geschwindigkeitslinien, die sich in der Luft abzeichneten, bewiesen ihre jüngste Anwesenheit.
Worüber hatte man gerade gesprochen? Es fiel Freddy schwer, seine Gedanken zu fokussieren. Sie hatte ihm helfen wollen, soviel wusste er noch.
"Haben wir noch ein Messer?" rief ihm die Männerstimme zu.
"Ja. In der Schublade muss noch ein großes liegen." An solche Details konnte er sich noch ohne Mühe erinnern.
"Und der Schädelspalter?"
"Der liegt im Medizinschrank." Lag der Schädelspalter wirklich im Medizinschrank? Besaßen sie überhaupt einen Schädelspalter? Freddy dachte nach. Doch noch bevor er zu einer Antwort fand, stand Gina wieder im Türrahmen: Die Drogen hatten ihren Hals auf zwei Meter Länge anwachsen lassen und ihre Haut in grüne Blätter verwandelt.
In den Händen hielt sie eine Zange und eine Eispickel.
"Dann wollen wir doch mal Gehirngewebe entnehmen!" Das Leuchten ihrer Schlangenaugen ließ sich nicht übersehen.
Freddy begann zu schreien...

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"Beruhige dich...", hauchte Gina, die plötzlich neben ihm kauerte, " Ist doch alles gut."
Die Zange in ihrer Hand wirkte plötzlich wie ein Schneebesen und der Eispickel wie ein Holzlöffel. Na also, Freddy hatte doch gewusst, dass sie keinen Schädelspalter besaßen...
Gina verpasste Freddy einen leichten Schlag mit dem Kochlöffel.
" Aua." , rief Freddy wütend, setzte sich auf und rieb sich die Stirn.
" War doch nur ein kleiner Stoß."
" Aber das war Holz!", meckerte Freddy, " Du hast mir sicher einen Splitter in die Stirn gejagt."
Ginas Hals war nun wieder auf eine anständige Größe zurück geschrumpft. Allerdings wirkten ihre Arme und Beine nun sehr kurz, ebenso wie ihr ganzer Leib. Eigentlich wirkte nur ihr Kopf riesig. Sie sah aus wie eine Schildkröte. Freddy vermied einen Blick auf sich selbst und rieb sich stattdessen die Stirn, während er Gina anstarrte.

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Als er seinen Finger von der Stirn nahm, klebte ein Blutfilm an den Fingerkuppen. Richtig, der Splitter in seiner Stirn. Ginas Kopf wuchs und wuchs immer weiter. Bald würde er das Zimmer ausfüllen, fürchtete Freddy, ihn in eine Ecke quetschen und die Luft zum Atmen nehmen. Auch das Gebäude würde dem Druck nicht ewig standhalten und wie ein Luftballon zerplatzen, während Ginas Kopf immer noch anschwoll, nach und nach Städte, Länder und Kontinente einnahm, bis zu letzt die Erdkugel, einer Postkarte gleich, an Ginas Kopf hing und durch den Weltenraum schwebte.
So weit durfte er es nicht kommen lassen!
An was hatte er noch gedacht? Da waren zwei Wörter gewesen, die ihm hilfreich erschienen? Welche?
Welche...?
Richtig! Der Splitter. Freddy griff in seinen Kopf, zog das Stück Holz aus dem Großhirn und setzte ihn an Ginas Riesenkopf an. Einem Luftballon gleich zerplatzte dieser und fiel in sich zusammen.
"Puh, das war knapp." seufzte Freddy erleichtert. Erst später nahm er wahr, dass Ginas in einer Ecke lag und weinte.
"Was ist?" rief er entsetzt.
Ohne sich ihm zuzuwenden schrie sie zurück: "Du hast mir weh getan!"

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