Treibstoff

Linda

Da war dieses Wort, das in Lindas Erinnerung hoch flackerte. „Konsumtempel“. So hatte man damals in ihrer Kindheit ein Gebäude wie dieses genannt. In ihrer Kindheit? Es mochte genau so gut in einem anderen Leben gewesen sein. Gebäude, in denen sich Geschäft an Geschäft reihte und in denen man jeden flüssigen und überflüssigen Artikel käuflich erwerben konnte.
Käuflich – das bedeutete man tauschte Geld gegen Ware. Geld, das einen Wert hatte. Nicht dieses Papier, mit dem die Regierung noch immer versuchte, das Volk ruhig zu stellen.
Es hatte sich alles verändert. Zusammen mit den Energieträgern war Geld als Zahlungsmittel verschwunden und mit ihm die Konsumtempel.
Nun – nicht ganz. Die Gebäude verfielen langsam in den Stadtzentren und wurden tagsüber von denen genutzt, die noch immer den Anschein der alten Zivilisation aufrecht hielten und in den Ladenlokalen Waren oder Dienstleistungen anboten. Gegen andere Waren oder Dienstleistungen natürlich.
In den Nächten hausten hier dagegen die Obdachlosen. Lebten, hausten – und erfroren im Winter. Erst gestern Morgen hatte Linda eine Leiche aus ihrem Büro schleppen und auf die Straße werfen müssen. Angewidert blickte sie zu der Ecke, in der sie den steifen Körper gefunden hatte, am Boden festgefroren, in eine Lache aus Urin.
Zitternd wickelte sie sich tiefer in ihre Decke. Es ist ein kalter Winter, ohne jeden Zweifel, dachte sie sich, während der dampfende Atemstrahl in der Luft kondensierte. Auch zu kalt für die Kunden? Seit einer Woche hatte sie niemand mehr in ihr Büro verirrt. Niemand, der die Dienste einer Privatdetektivin (den Begriff wandte Linda auf sich an, ebenfalls aus der alten Zeit übernommen) in Anspruch nahm.
Niemand, der ihre Dienste mit Waren oder Dienstleistungen vergolt. Und der Mann, der jeden Monat die Miete bei den Nutzer der Ladenlokale eintrieb, ließ sich nicht durch Worte vertrösten. Diese Erfahrung hatte Linda in der Vergangenheit machen müssen.

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