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Robert hatte soeben erfahren, dass er am Samstag ins Büro kommen musste.
Leider ist ihre Mitarbeit unbedingt erforderlich, hatte sein Chef ihm vorgeflötet.
Es war zum kotzen. Am Samstag kamen einige alte Schulkameraden von Robert, die er schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen hatte. Sie wollten zusammen einen gemütlichen Ausflug in die Berge machen, mit einer Übernachtung auf einer Hütte.
Es tut mir schrecklich leid, Robert, aber wir können nicht auf dich verzichten, waren die die Worte, die sein Vorgesetzter benutzt hatte.
Wenn er so unverzichtbar ist, warum bezahlen sie ihn dann so schlecht? Der einzige Grund für die Samstagsarbeit ist nur der, dass ein paar Herren mit großen Köpfen die Projektplanung vergeigt haben und der Kunde ihnen nun Feuer unter ihren Ärschen macht. Weil die Helden aber nichts anderes können als die kleinen Angestellten wie ihn herum zu kommandieren, ordnen sie einfach mal Arbeit fürs Wochenende an, damit sie dem Kunden etwas vorweisen können.
Diesmal aber nicht, Robert war fest entschlossen mit seinen Freunden in die Berge zu fahren. Zu oft hatte er schon seine Freizeit geopfert; für eine vor Fett triefende Pizza, die die Abteilungsleiter um 12 Uhr beim Billig-Pizzaservice bestellten. Diesmal würde es nicht soweit kommen.

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Ziellos irrte Robert durch die endlos scheinenden Gänge des Bürogebäudes. Innerlich schäumte er vor Wut. In seinem Kopf arbeitete jedes kleine Rädchen an einer Lösung für das Dilemma. Denn soviel war klar: auf gar keinen Fall würde er den Samstag mit irgendwelchem Verwaltungskram verbringen. Er stieg in den Aufzug nach unten. Er war nicht allein. In dem zweiten Fahrgast erkannte er Fritz. Sie hatten bei einer Weihnachtsfeier einmal ein paar Worte miteinander gewechselt. Fritz war bei den Kollegen nicht sehr beliebt. Man sagte ihm nach, er habe nicht mehr alle Tassen im Schrank, weil er seine gesamte Zeit irgendwo in den Tiefen des Entwicklungslabors mit seinen seltsamen Geräten und Chemikalien verbrachte. Sogar nach Feierabend war er oft noch am Tüfteln, aber kein Mensch wusste, woran er eigentlich arbeitete. Fritz blickte gehetzt hoch und entspannte sich erst, als er Robert als das erkannt hatte, was er war: harmlos. Er fragte Robert: "Und, was hast du am Samstag vor?"

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Samstag, das Reizwort. Robert überlegte noch, ob er Fritz in seine Probleme einweihen sollte, da redete dieser plötzlich los wie ein jahrelang aufgestauter Wasserfall. "Nicht dass es mich etwas angeht natürlich. Natürlich, natürlich. Nichts, gar nichts geht mich das an, was? Samstag, Sonntag, alles Tage, die mich nichts angehen. Das denkst du doch, oder? Ja, haha, schon klar. Ich weiß doch, was hier über mich geredet wird. Ihr glaubt doch alle, ich sitze zum Spaß Tag und Nacht hier herum. Haha, ja, genau! Ihr habt doch alle keine Ahnung..." Plötzlich verstummte Fritz mitten im Satz, als habe er schon zu viel gesagt. Als gäbe es ein Geheimnis, das er unbedingt wahren muss, dachte Robert. Komischer Kauz, dieser Fritz. Wahrscheinlich alles nur Einbildung, doch Roberts Neugier war geweckt. "Woran arbeitet ihr denn da unten eigentlich?", fragte er, und bemühte sich, die Frage möglichst harmlos klingen zu lassen. Fritz warf ihm einen scharfen Blick zu, dann wandte er die Augen sofort wieder ab und starrte stumpf vor sich hin. "Arbeit, Arbeit, das ist alles, worum es geht, richtig", murmelte er. Dann hob er den Blick und sah Robert herausfordernd an. "Wenn du es wirklich wissen willst, dann zeige ich es dir", flüsterte er verschwörerisch.

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An jedem anderen Tag hätte Robert angesichts des wahnsinnigen Grinsens von Fritz schleunigst Reißaus genommen. Doch die unerfreuliche Wendung, die dieser Tag für ihn bereits genommen hatte, ließ ihn trotzig die Chance auf eine kleine Abwechslung ergreifen. Er willigte schnell ein, bevor Fritz es sich anders überlegen konnte. Gemeinsam fuhren sie hinunter in den Bauch des riesigen Bürogebäudes. Als die Tür des Aufzugs sich öffnete, brauchte Robert einen Moment, um zu verarbeiten, was er sah.

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Lange Gänge mit unzähligen Abzweigungen auf beiden Seiten erstreckten sich links und rechts vom Aufzug. Das ganze erinnerte an ein weitläufiges unterirdisches Labyrinth. Während Robert noch staunend um sich blickte, stieß Fritz ihn eilig durch eine kleine Seitentür. „Desinfektion“, sagte er nur. Und: „Ausziehen.“ Robert tat wie geheißen, entledigte sich seiner Kleidung bis auf die Unterhose und zog den weißen Overall an, den Fritz ihm entgegenhielt. Dazu bekam er noch eine Art Kappe, wie er sie in OP-Serien gesehen hatte, Handschuhe und einen Gesichtsschutz. Fritz hatte sich inzwischen ebenso verkleidet. Robert kamen erste Zweifel an der ganzen Sache. Was, um Gottes Willen, wurde hier im Kellerlabor ausgebrütet? Er fühlte sich wie in einem drittklassigen Spionagethriller in seiner Tarnung. So würde ihn sicher niemand erkennen. Flüchtig malte er sich aus, wie er in diesem Aufzug in das Büro seines Chefs stürmen und diesen mit der Ankündigung eines Selbstmordattentats zu Tode erschrecken könnte.

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